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AutorenbildBenjamin Gehrmann

Länger leben - sind 10.000 Schritte pro Tag wirklich notwendig für eine bessere Gesundheit?

Aktualisiert: 14. Sept. 2023

Jeder kennt die Regel: Laufe 10.000 Schritte am Tag und du wirst ein langes, gesundes Leben haben. Dabei gab es für die genaue Zahl an notwendigen Schritten nie einen wissenschaftlichen Beleg. Außerdem war immer unklar, ob nicht sogar mehr Schritte zu noch mehr Gesundheit führen. Eine neu veröffentlichte Metaanalyse gibt nun Aufschluss über diese und weitere Fragen.


1. Woher stammt die magische 10.000 Schritte-Grenze?

2. Was sagt die Wissenschaft dazu? Der Stoffwechsel

3. Wie viele Schritte sind notwendig und ist mehr gleich besser?

4. Fazit

5. Quellen


Zunächst werfen wir einen Blick auf die vermutliche Herkunft der magischen 10.000 Schritte Grenze und zugleich einem der cleversten Marketing-Gags, der bis in die heutige Zeit andauerte.


1. Woher stammt die magische 10.000 Schritte-Grenze?

Manpo-kei - der 10.000 Schritte Zähler
Manpo-kei - der 10.000 Schritte Zähler

1964 fanden in Tokio die Olympischen Spiele statt. Passend dazu brachte die Firma Yamasa den sog. "Manpo-kei", den ersten portablen Schrittzähler auf den Markt. Übersetzt bedeutet das so viel wie "10.000-Schritt-Zähler". Die Anzahl der Schritte war beliebig gewählt, jedoch helfe diese Menge an Schritten dabei, die eigene Fitness zu erhalten, denn sie sei Ausdruck eines gesunden Lebensstils. Diese Empfehlung etablierte sich schnell als allgemeine Richtlinie [1]. Doch was ist dran an dieser These?


2. Was sagt die Wissenschaft dazu? Der Stoffwechsel

Bevor man sich mit der genauen Anzahl der Schritte beschäftigt, muss man verstehen, wie unser Stoffwechsel im Groben funktioniert. Jeder Mensch benötigt abhängig von Geschlecht, Alter, Größe und Aktivität eine bestimmte Menge an Energie in Form von Kalorien [kcal].

Nehmen wir über einen längeren Zeitraum mehr Energie auf, als wir verbrennen, dann nimmt das Körpergewicht zu. Im Gegenteil dazu verlieren wir an Gewicht, wenn wir weniger Energie zu uns nehmen, als wir verbrauchen. Wie viel Energie wir nun genau benötigen, das setzt sich zusammen aus


1. dem Grundumsatz: Das verbraucht dein Köper um zu funktionieren. Der Grundumsatz wird auch als "resting metabolic rate" (RMR) bezeichnet.

2. dem Arbeitsumsatz: Der Arbeitsumsatz lässt sich untergliedern in

  • die Menge an Energie, die du beim Training (TEA = "thermic effect of activity", zum Beispiel durch Kraft- oder Ausdauertraining) bewusst verbrauchst und

  • die sog. NEAT (Non-Exercise Activity Thermogenesis), also die Energie, die du durch unbewusste Bewegung (Gehen, Fahrrad fahren, Treppensteigen, mit Fuß wippen, etc.) verbrennst.

3. dem Thermic Effect of Food (TEF): Das ist der Kalorienverbrauch, der notwendig ist, um die Lebensmittel zu verdauen, die du zu dir nimmst. Eine proteinreiche Ernährung mit reichlich Gemüse und Ballaststoffen verbraucht mehr Energie als eine kohlenhydrat- oder fettreiche Ernährung [2, 3]. Weswegen auch ratsam ist, mehr Protein zu sich zu nehmen, wenn man Körpergewicht verlieren will.

Thermic effect of food, arbeitsumsatz, thermic effect of activity, non exercise activity und resting metabolic rate
Der Energieverbrauch des Menschen nach Melanson et al. (2013).

Die Idee hinter der 10.000 Schritte Regel ist nun, dass dadurch der Arbeitsumsatz erhöht wird. Entweder als eigenständiges Training oder durch unbewusste Bewegung, wie zum Beispiel auf dem Weg in die Arbeit, zum Einkaufen oder das Nutzen der Treppe statt des Aufzugs. Durch die Bewegung erhöhst du den Kalorienverbrauch und genau das kann das Zünglein an der Waage sein, was dafür sorgt, dass du dein Gewicht hältst oder sogar Gewicht verlierst.

Ein niedriges Körpergewicht ist assoziiert mit einer geringeren Mortalität (Sterblichkeit), da Übergewicht einhergeht mit Bluthochdruck, Arteriosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall. Außerdem wird z. B. durch Wandern das Immunsystem gestärkt, das Herz-Kreislauf-System je nach Intensität trainiert, in der Sonne wird mehr Vitamin D vom Körper gebildet und neben den körperlichen Aspekten profitiert auch die Seele, die sich vom stressigen Alltag erholen kann [4, 5].

Es ist also nur logisch, dass mehr Bewegung im Alltag dazu führen kann, dass wir länger leben und auch im Alter fit bleiben. Bleibt letztlich nur noch zu klären, ob dafür tatsächlich 10.000 Schritte notwendig sind und ob noch mehr Schritte das Risiko eines zu frühen Todes weiter sinken lassen.


3. Wie viele Schritte sind notwendig und ist mehr gleich besser?

Eine kürzlich veröffentlichte Metaanalyse [6] belegt, dass bereits ca. 4.000 Schritte (~30-45 min Gehen) pro Tag ausreichen, um das Risiko eines frühen Todes zu senken. Selbst eine Erhöhung um 1.000 Schritte pro Tag entspricht in etwa einer Senkung des Risikos um 15%. Je höher die Zahl der Schritte war, desto besser. Allerdings lässt sich dieser Effekt nicht beliebig linear erweitern. Es stellt sich auch hier eine Sättigung ein, das bedeutet, dass es keinen großen Unterschied mehr macht, ob man 15.000 oder 20.000 Schritte geht. Zudem wurde festgestellt, dass das Alter der Probanden eine Rolle spielte. Es zeigte sich, dass ab einem Alter von 60 Jahren weniger Schritte benötigt werden. Den größten, positiven Effekt auf die Langlebigkeit wird hier irgendwo zwischen 6.000 und 8.000 Schritten vermutet.

Jüngere Menschen unter 60 Jahren benötigen im Schnitt ca. 2.000 Schritte mehr. Hier stellte sich der "Sweetspot" ca. bei 8.000 bis 10.000 Schritten heraus [7, 8].

Was die Gehgeschwindigkeit angeht, wurden inkonsistente Ergebnisse gefunden, weshalb dazu keine valide Aussage zu treffen ist [7, 12].

Wie viele Schritte sind notwendig für ein längeres Leben?
Sterblichkeitsrate in Abhängigkeit zur täglichen Schrittzahl

4. Fazit

Regelmäßige Bewegung ist weiterhin einer der größten Faktoren, wenn es darum geht, gesund zu bleiben und die Lebenserwartung zu erhöhen. Allerdings sind dafür nicht zwingend 10.000 Schritte notwendig. Dies bestätigten sowohl Paluch et al. (2022), als auch Banach et al. (2023) in ihren Metaanalysen [6, 8].

Beide kamen zum Schluss, dass in etwa 6.000 Schritte pro Tag, das Sterberisiko um ca. 50% geringer ausfällt. Damit wäre vielen Menschen schon geholfen, denn laut Statista gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Tendenz steigend [9].

Auch eine schwedische Studie aus dem Jahr 2020 bestätigte, dass bereits 4500 Schritte und mehr das Risiko um 50% senken, an Diabetes zu erkranken [10].

Anstatt den Abend nun vor dem TV zu verbringen und eine Folge seiner Lieblingsserie nach der anderen zu schauen, ist es ratsam einen kleinen Spaziergang zu machen. Mit Freunden, mit dem Hund oder alleine mit Musik oder Podcasts in den Ohren - es gibt viele Varianten. Wichtig ist, dass jeder für sich seine Variante findet, die ihm Spaß macht, denn nichts ist schlimmer, wenn wir uns zu etwas zwingen müssen.

Müssen es nun Schritte sein? Natürlich nicht. Schritte sammeln kann sehr eintönig und langwierig sein. Da gibt es effizientere Trainingsmethoden. Hierbei gilt laut Prof. Dr. med. Martin Halle (Präventive Sportmedizin, TU München) "Intensität schlägt Dauer" [11], jedoch kann es für viele Menschen abschreckend wirken, wenn die Intensität zu hoch ist. Regelmäßiges Training wird damit unwahrscheinlicher, zumal Verletzungen jeden ambitionierten Sportanfänger in die Knie zwingen können.

Daher ist es empfehlenswert, zu Beginn seiner "Sportkarriere" eine Routine zu etablieren, die auch langfristig durchgehalten werden kann. Die eigene Schrittzahl zu erhöhen kann dafür eine geeignete Methode sein.

Wenn du Lust hast durchzustarten, dann empfehle ich Dir meine Challenge des Monats. Du hast noch den ganzen September Zeit, daran teilzunehmen und es gibt sogar etwas zu gewinnen!

Wer nicht jeden Tag etwas für seine Gesundheit aufbringt, muss eines Tages sehr viel Zeit für die Krankheit opfern. Sebastian Kneipp, 1821 - 1897


5. Quellen


[1] Tagesschau (2023). 4000 Schritte am Tag reichen aus. Zuletzt aufgerufen am 18. August 2023 unter: https://www.tagesschau.de/wissen/gesundheit/analyse-schritte-100.html


[2] Steinhard, J. (2021). Kalorienverbrauch – Wie er sich wirklich zusammensetzt. Zuletzt aufgerufen am 17. August 2023 unter: https://science-fitness.de/koerper/kalorienverbrauch


[3] Melanson, E. L., Keadle, S. K., Donnelly, J. E., Braun, B., & King, N. A. (2013). Resistance to exercise-induced weight loss: compensatory behavioral adaptations. Medicine and science in sports and exercise, 45(8), 1600–1609. https://doi.org/10.1249/MSS.0b013e31828ba942


[4] Miko, H. C., Zillmann, N., Ring-Dimitriou, S., Dorner, T. E., Titze, S., & Bauer, R. (2020). Auswirkungen von Bewegung auf die Gesundheit [Effects of Physical Activity on Health]. Gesundheitswesen (Bundesverband der Arzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (Germany)), 82(S 03), S184–S195. https://doi.org/10.1055/a-1217-0549


[5] Brämer, R. (2007). Gesundheitsstudie Wandern Daten, Fakten, Perspektiven. Zuletzt aufgerufen am 17. August 2023 unter: https://www.wanderforschung.de/files/gesundstudwan1220020910.pdf


[6] Banach, M., Lewek, J., Surma, S., Penson, P. E., Sahebkar, A., Martin, S. S., Bajraktari, G., Henein, M. Y., Reiner, Ž., Bielecka-Dąbrowa, A., & Bytyçi, I. (2023). The association between daily step count and all-cause and cardiovascular mortality: a meta-analysis. European journal of preventive cardiology, zwad229. Advance online publication. https://doi.org/10.1093/eurjpc/zwad229


[7] Bellmann, B. (2022). 10.000 Schritte am Tag: Fakt oder Flunkerei? Zuletzt aufgerufen am 17. August 2023 unter: https://www.doccheck.com/de/detail/articles/38055-10-000-schritte-am-tag-fakt-oder-flunkerei


[8] Paluch, A. E., Bajpai, S., Bassett, D. R., Carnethon, M. R., Ekelund, U., Evenson, K. R., Galuska, D. A., Jefferis, B. J., Kraus, W. E., Lee, I. M., Matthews, C. E., Omura, J. D., Patel, A. V., Pieper, C. F., Rees-Punia, E., Dallmeier, D., Klenk, J., Whincup, P. H., Dooley, E. E., Pettee Gabriel, K., … Steps for Health Collaborative (2022). Daily steps and all-cause mortality: a meta-analysis of 15 international cohorts. The Lancet. Public health, 7(3), e219–e228. https://doi.org/10.1016/S2468-2667(21)00302-9


[9] Statistisches Bundesamt (2021). Todesursachen Deutschland. Zuletzt aufgerufen am 23.08.23 unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Todesursachen/_inhalt.html


[10] Ballin, M., Nordström, P., Niklasson, J., Alamäki, A., Condell, J., Tedesco, S., & Nordström, A. (2020). Daily step count and incident diabetes in community-dwelling 70-year-olds: a prospective cohort study. BMC public health, 20(1), 1830. https://doi.org/10.1186/s12889-020-09929-2


[11] Bernd T. (2022). Schritte zählen. 10.000 Schritte pro Tag - gesund oder Marketing Gag?


[12] Lee, I. M., Shiroma, E. J., Kamada, M., Bassett, D. R., Matthews, C. E., & Buring, J. E. (2019). Association of Step Volume and Intensity With All-Cause Mortality in Older Women. JAMA internal medicine, 179(8), 1105–1112. https://doi.org/10.1001/jamainternmed.2019.0899











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