Implementierung von CrossFit an einer Mittelschule
Implementierung von CrossFit & Auswirkungen auf das Selbstkonzept von Schülern der Mittelschule
Teil 1: Ist CrossFit an einer Schule durchführbar?
1. Einleitung
„Wie fit sind unsere Kinder?“ Mit dieser Frage beschäftigte sich die WIAD-Studie (2003), in der sowohl der Bewegungsstatus von Kindern und Jugendlichen, als auch deren sportmotorische Leistungsfähigkeit untersucht wurden. Dabei konnte ein „Rückgang der Fitness um mehr als 20 %“ (WIAD, 2003, S. 7) festgestellt werden. Zudem wurde ein deutlicher „Hang zur Selbstüberschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit“ (S. 26) beobachtet. Zusammengefasst bedeutet dies, dass die Schüler immer unsportlicher werden, dieser negative Trend aber noch nicht in ihrem Bewusstsein angekommen ist.
Genau daran knüpft die vorliegende Arbeit an. Die Trendsportart und das gleichnamige Unternehmen „CrossFit“ wurde von ihrem Gründer Greg Glassman entwickelt, um eine „umfassende, allgemeine und inklusive Fitness“ auszubilden (Glassman et al. 2014, S. 13).
Nachfolgende Abbildungen geben einen Überblick über den Aufbau und die damit verbundenen Forschungsfragen. Im Rahmen dieser Arbeit soll zunächst geklärt werden, ob und in welcher Form diese Sportart in den Schulsport implementiert werden kann (vgl. Abb. 1).
Abb. 1. Überblick Forschungsfrage 1. Die Implementierung von CrossFit an einer Mittelschule.
Dafür wird zuerst überprüft, ob die Sportart CrossFit den curricularen Vorgaben des ISB entspricht (vgl. Kap. 2). Anschließend wird in der Bedingungsanalyse auf die Rahmenbedingungen an der Schule und den Leistungs- sowie Entwicklungsstand der Untersuchungsgruppe eingegangen (vgl. Kap. 3). Mit Hilfe des pädagogisch-didaktischen Hintergrundwissens wird das geplante Projekt theoretisch fundiert und methodisch aufbereitet. Diese fünf doppelstündigen Unterrichtseinheiten werden dann an der Bertolt-Brecht-Schule in Nürnberg gehalten und im Hinblick auf die erste Forschungsfrage reflektiert (vgl. Kap. 5).
Als weiterer Forschungsgegenstand wird die eingangs erwähnte Selbsteinschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit untersucht, die unter dem Begriff des physischen Selbstkonzepts betrachtet wird (vgl. Abb. 2).
Abb. 2. Überblick Forschungsfrage 2. Die Messung des physischen Selbstkonzepts.
Zunächst wird ein Blick auf die aktuelle Forschungslage bezüglich des physischen Selbstkonzepts geworfen (vgl. Kap. 6). Dieses untergliedert sich in die physische Attraktivität einerseits (vgl. Kap. 6.1) und in das Selbstkonzept sportlicher Leistungsfähigkeit andererseits (vgl. Kap. 6.2). Mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens (vgl. Kap. 9.3) wurde das physische Selbstkonzept einer Sportklasse sowohl vor als auch nach dem Projekt erfasst, um anschließend Aussagen über die Veränderungen im physischen Selbstkonzept treffen zu können. Diese Ergebnisse werden dann vorgestellt (vgl. Kap. 6.4) und daraufhin unter Rückbezug zur Unterrichtssequenz diskutiert. Zudem wird das Forschungsdesign (vgl. Kap 6.5) kritisch betrachtet, um etwaige Fehlerquellen für weitere Forschungen aufzudecken. Im abschließenden Fazit wird die zweite Forschungsfrage beantwortet, mit welchen Veränderungen im physischen Selbstkonzept bei der Implementation von CrossFit an einer Schule zu rechnen ist.
2. Sachanalyse
2.1 Einbettung des Themas in den Lehrplan
Im Folgenden wird die Einbettung des Themas in den Lehrplan der bayerischen Mittelschule vorgenommen. Die ausgearbeitete Unterrichtssequenz ist für die Klassenstufe 10M konzipiert. Im Rahmen dieser Arbeit soll aber auch festgestellt werden, ob das Thema „CrossFit“ für weitere Klassenstufen geeignet ist. Dazu wird zunächst ein Blick auf das Grundwissen und die Kernkompetenzen geworfen, die Schülerinnen und Schüler durch den Sportunterricht laut Lehrplan erhalten sollen. Zudem ist zu klären, ob mögliche Parallele zur Sportart CrossFit existieren. Anschließend wird das Thema der Unterrichtssequenz in Bezug auf den Lehrplan der Jahrgangsstufe M10 überprüft und darin eingebettet.
Der Basissportunterricht der Regelklassen und des M-Zuges ist in vier große Lernbereiche unterteilt ist. Dazu gehören erstens der Bereich Gesundheit, zweitens Fairness und Kooperation, drittens der Bereich Umwelt und viertens das Leisten, Gestalten und Spielen. Da die Trendsportart CrossFit eine Summe vieler verschiedener Sportarten und Disziplinen ist, kann jeder dieser Bereiche thematisiert werden, worauf nachfolgend eingegangen wird.
2.1.1 Lernbereich Gesundheit
Die Gesundheit ist der erste Lernbereich, welcher bereits ab der fünften Jahrgangsstufe einen besonderen Stellenwert einnimmt. Ziel ist es, die Schüler zu lebenslangem, eigenständigem und gesundheitsförderlichem Sporttreiben zu befähigen (ISB, 2004h). Genau dieses Bewusstsein wird auch im CrossFit vermittelt. Glassman et al. (2014, S. 25) haben dies in ihrem Trainingshandbuch mit Hilfe einer dreidimensionalen Definition von Fitness und Gesundheit erläutert. Dabei geht es zusammenfassend darum, dass Gesundheit definiert wird als „Arbeitskapazität über breite zeitliche modale und altersbezogene Domänen (Bereiche).“ Die Arbeitskapazität ist eine messbare Größe, die durch Kraft x Weg / Zeit (Durchschnittsleistung) errechnet werden kann. Je mehr körperliche Leistung wir verrichten können, desto fitter und gesünder sind wir und genau hier setzt der Sport an. Indem wir unsere Fitness trainieren, verbessern wir unsere Arbeitskapazität, was sich wiederum positiv auf verschiedene Gesundheitsparameter wie z.B. den Blutdruck, die Knochendichte und die Muskelmasse auswirkt (S. 18). Neben der sportlichen Betätigung ist die Ernährung ein wesentlicher Bestandteil der Gesundheit. Dies wird mit Hilfe des mit CrossFit einhergehenden Ernährungstrends der „Paleo-Ernährung“ vermittelt (vgl. Marsden & Whitmore 2014), die nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen als vielversprechende Ernährungsform angesehen wird (Frassetto et al., 2015; Masharani et al., 2015). Ergänzend können sporttheoretische Grundlagen (z.B. Trainingsmethoden, Grundkenntnisse zum Herz-Kreislauf-System, zur Muskelanatomie und zu den Gelenken, etc.) gezielt thematisiert werden (ISB, 2004a).
2.1.2 Lernbereich Fairness und Kooperation
Der zweite Lernbereich besteht aus der Fairness und der Kooperation. Dieser kann durch die pädagogische Perspektive „Miteinander“ (vgl. Kap. 4.1) eingebettet werden, die viele Überschneidungen mit dem Lerninhalt „Handeln in der Gemeinschaft“ aufweist (ISB, 2004b). Dazu gehören laut ISB (2004a) unter anderem die „Kenntnisse von Regelwerken“, das „Erkennen und Beurteilen von Gefahrensituationen“, die „Übernahme von Schiedsrichter- oder Kampfrichtertätigkeiten“ (S. 427). Auch im CrossFit gibt es Regelwerke, die verstanden und eingehalten werden müssen (vgl. The CrossFit Open, 2015). Gefahrensituationen müssen ebenso erkannt werden, wie sie z.B. durch Fehlbelastung zustande kommen können. Diesem Umstand kann durch das gegenseitige Coachen entgegengewirkt werden, da die Schüler stets die Bewegungsqualität ihrer Partner im Blick haben und durch Feedback auf eventuelle Fehler hinweisen können (z.B. Kniebeuge: „Du musst tiefer in die Hocke“). Zudem liefern die gymnastischen und turnerischen Elemente im CrossFit vielfältige Möglichkeiten, das gegenseitige Helfen und Sichern zu üben und zu festigen, was einen wichtigen Lerninhalt jeder Jahrgangsstufe im Sportunterricht darstellt (ISB, 2004b-f).
2.1.3 Lernbereich Umwelt
Als dritter Lernbereich ist das Thema Umwelt im Sportunterricht enthalten. Der richtige Umgang mit der Umwelt ist ein wichtiger Aspekt, der zur heutigen Zeit immer wichtiger wird. Die Luftverschmutzung, der Klimawandel, etc. sind eindeutige Zeichen dafür, dass die Menschen den Respekt gegenüber ihrer Umwelt in gewisser Weise verloren haben beziehungsweise sie sich dessen nicht mehr bewusst sind. Dieses Bewusstsein kann durch gezielte Sportaktivitäten in den unterrichtlichen Kontext eingebunden werden. Beispielsweise könnten CrossFit-Workouts die Umwelt gezielt integrieren, indem zum Beispiel Lauf-Intervalle im Freien absolviert werden. Der Wald liefert zahlreiche Möglichkeiten des Fitnesstrainings, jedoch ist der respektvolle Umgang mit der Umwelt Voraussetzung. Des Weiteren werden auch längere Ausdauer- und Orientierungsläufe im CrossFit herangezogen, wenn es darum geht, die aerobe Ausdauer zu testen und zu trainieren. Im Jahr 2012 wurde bei den CrossFit Games (eine Art Weltmeisterschaft, in der der fitteste Mann und die fitteste Frau der Welt gekürt werden) ein Triathlon (700 m Schwimmen, 8 km Radfahren und 11 km Laufen) als Workout angekündigt (The CrossFit Games, 2012). Daher ist es durchaus legitim und wünschenswert im Rahmen des CrossFit-Trainings Sportaktivitäten in der Umwelt durchzuführen.
2.1.4 Lernbereich Leisten, Gestalten und Spielen
Der Lernbereich Leisten, Gestalten und Spielen zeichnet sich in der fünften Jahrgangsstufe durch grundlegende sportmotorische und sporttaktische Fähigkeiten aus (ISB, 2004a, S. 732). Hierbei „erproben die Schüler ihre individuellen Ausdauer-, Kraft- und Schnelligkeitsfähigkeiten, sowie Beweglichkeit und verbessern ihre koordinativen Fähigkeiten“ (ISB, 2004b, S. 125). CrossFit liefert dafür hervorragende Anknüpfungspunkte, da dessen Trainingsziele in der Verbesserung der zehn allgemeinen körperlichen Fähigkeiten (vgl. Kap. 2.3.1) liegen. Auch ein realistischeres körperliches Selbstkonzept kann durch CrossFit erwartet werden. Ebenso wird vermutet, dass CrossFit sich positiv auf das Selbstvertrauen auswirken kann. Dies setzt aber voraus, dass die Schüler entsprechende Leistungszuwächse wahrnehmen, was aber nur durch regelmäßige sportliche Betätigung gegeben ist. (vgl. „Prinzip der kontinuierlichen Belastung“ nach Weineck, 2010, S. 55). Entsprechend dürften sich auch das Durchhaltevermögen, die Leistungsbereitschaft und die Erfolgszuversicht durch CrossFit verbessern (ISB, 2004a).
Ein weiterer großer Vorteil dieser Trendsportart ist, dass gezielt fächerübergreifend gearbeitet werden kann. Die meiste Literatur und andere Quellen von CrossFit sind englischsprachig, was dazu führt, dass auch in den CrossFit-Klassen Englisch gesprochen wird. Dies kann gezielt in Zusammenarbeit mit dem Englischunterricht thematisiert und inszeniert werden.
2.2 Einbettung der Unterrichtssequenz in den Lehrplan
Die Unterrichtssequenz „CrossFit in der Schule“ ist wie oben beschrieben für eine zehnte Klasse des M-Zuges konzipiert und orientiert sich an den Lernbereichen des bayerischen Lehrplans für das Fach Sport. Im Bereich der Fairness und Kooperation wurde das „Handeln in der Gemeinschaft“ vorwiegend durch die pädagogische Perspektive „Miteinander“ im Unterricht behandelt. Laut ISB (2004g, S.672) sollen die Schüler „auf Mitschüler zugehen und sie in gemeinsame sportliche Aktivitäten integrieren“, sowie „Konfliktsituationen zunehmend selbstständig lösen“. Aus diesem Grund wurden mehrere Partner- und Gruppenarbeiten im Unterricht eingebettet, die die Kooperationsfähigkeit der Schüler fördern können. Dies geschieht nach Herrmann & Sygusch (2009b, S. 29f) z.B. durch das gegenseitige Coachen. Zudem ist es üblich, dass die CrossFit-Athleten sich gegenseitig anfeuern und nach dem Workout mit einem Handschlag gegenseitig gratulieren. Solche Rituale stärken das Gemeinschaftsgefühl (Herrmann & Sygusch, 2009a, S. 10). Die eingangs erwähnten Konfliktsituationen wurden gezielt in die Unterrichtssequenz eingebettet. Dabei ging es darum, dass die Schüler in Partner- oder Gruppenworkouts einen Weg finden mussten, das Problem zu lösen (vgl. Kap. 9.1.3). Dazu gehört das Verteilen von Rollen, damit das Gruppenziel optimal erreicht werden kann.
Durch das Besprechen der funktionellen Anatomie des Kniegelenks und der richtigen Durchführung einer Kniebeuge wurde der zweite Lernbereich „Gesundheit“ (vgl. Kap. 4.1.2) in den Unterricht eingebettet. Dabei stellt die „Beweglichkeit“ (vgl. ISB, 2004g, S, 671) einen wesentlichen Faktor dar, denn oftmals fehlt es an der nötigen Mobilität in Hüft- und Fußgelenken, sodass die nötige Tiefe in der Kniebeuge nicht erreicht werden kann (vgl. Rippetoe, 2011, S. 9 ff.; Taeger, 2015, S. 86 ff.). Zudem wurden „verschiedene Formen funktioneller Kräftigung“ durchgeführt (ISB, 2004f, S. 671) sowie zahlreiche Übungen eingeführt, die die Schüler zu selbstständigem Krafttraining befähigen sollen.
Der Lernbereich „Leisten, Gestalten, Spielen“ wurde durch die pädagogische Perspektive „Leistung“ (vgl. Kap. 4.1.2) im Unterrichtsgeschehen realisiert. Dabei sollten die Schüler einerseits ihre eigene Leistung einschätzen, testen und reflektieren. Nach Sygusch (2007, S. 206) stärken Aufgaben dieser Art das körperlich-sportliche Selbstbild. Andererseits wurde den Schülern der Zusammenhang mit dem physikalischen Leistungsbegriff verdeutlicht, was wiederum fächerübergreifend eingesetzt und vertieft werden kann (vgl. Kap. 9.1.4).
2.3 Fachwissenschaftliche Grundlagen
2.3.1 Die Definition von CrossFit
CrossFit ist ein Trainingsprogramm, das vom ehemaligen Turner Greg Glassman entwickelt wurde. Ziel des Programms ist es, eine „umfassende, allgemeine und inklusive Fitness“ auszubilden, die die Athleten auf alle möglichen physischen Gegebenheiten vorbereiten soll. Daher definieren Glassman et al. (2014) CrossFit durch “konstant variierende, hoch-intensive, funktionelle Bewegungen“. Unter „konstant-variierenden Bewegungen“ kann die ständige Variation von Trainingsübungen verstanden werden. Mit dieser Methode werden Athleten „auf alle möglichen körperlichen Eventualitäten vorbereitet – nicht nur auf das Unbekannte, sondern auch auf das Unvorhersehbare“ (S. 3). Genau dieser Aspekt macht CrossFit sehr interessant für Spezialeinheiten des Militärs aber auch für die Polizei und die Feuerwehr, die letztendlich nicht wissen können, was sie auf ihrem nächsten Einsatz erwartet. Der nächste Bestandteil der Definition von CrossFit ist die hohe Intensität. Es gibt mittlerweile viele Studien, die das Training mit höherer Intensität dem Training mit mittlerer Intensität gegenüberstellen und untersuchen. Dabei zeigen sich zahlreiche Vorteile von HIIT (high-intensity intervall training) in Bezug auf Gesundheitsparameter und Trainingsfortschritt (u. a. Ahmadizad et al. 2015; Jung, et al., 2015; Kemmler, et al., 2015; Keteyian et al. 2014; Peake et al., 2014). Aus diesem Grund implementierte Glassman die hohe Intensität in sein Programm, was sich vor allem in den zumeist sehr kurzen Workouts zeigt.
Zuletzt folgt die Definition der funktionellen Bewegungen in CrossFit. Funktionelle Bewegungen sind nach Glassman (2014) „universelle motorische Rekrutierungsmuster“, die „in einer Kontraktionswelle vom Rumpf in die Extremitäten durchgeführt [werden]“, sowie „komplexe Bewegungen“, die vorwiegend mehrgelenkig sind (S. 3). Diese Übungen ahmen häufig Bewegungen nach, die im alltäglichen Leben zu finden sind (z. B. Kniebeuge: das Aufstehen aus einer sitzenden Position. Das Kreuzheben: das Aufheben schwerer Gegenstände vom Boden). Dementsprechend sind sog. Isolationsübungen (z. B. Beinextension oder Beincurl) nicht funktionell, da sie kein Äquivalent aus dem Alltag besitzen. Eine weitere Definition liefert unter anderem Boyle (2011), in der er funktionelles Training als „eine Reihe von Übungen [beschreibt], die Athleten befähigen sollen, ihr eigenes Körpergewicht in allen Bewegungsebenen zu halten und zu stabilisieren.“ Somit sind auch statische Übungen dem Begriff der „funktionellen Bewegungen“ zuzuordnen, da diese die dynamischen Übungen unterstützen und dadurch sowohl der Verletzungsprophylaxe, als auch der Leistungsverbesserung dienen (S. 17).
2.3.2 Die Definition von Fitness
Als nächstes muss der Begriff der Fitness genauer definiert werden, der in dieser Sportart eine besondere Rolle einnimmt. Im Outside Magazine wurde beispielsweise der Triathlet Mark Allen zum fittesten Mann der Welt gekürt, als er zum sechsten Mal den Ironman-Triathlon gewann. [1] Glassman (2002, S.1ff) kritisierte dies, denn angenommen Allen wäre wirklich der fitteste Mann der Welt, welchen Titel verdient dann beispielsweise Simon Poelman, der Zehnkämpfer? Beide verfügen über eine erstaunliche Ausdauer aber Poelmann wäre Allen überlegen, wenn es um weitere sportmotorische Dimensionen, wie zum Beispiel Kraft, Schnelligkeit und Koordination geht. Aus diesem Grund beschäftigte sich Glassman mit dem Fitnessbegriff und konnte schließlich als einer der Ersten den Begriff definieren. Hierfür orientiert sich Glassman an drei Standardmodellen, mit deren Hilfe die Fitness eines Sportlers beurteilt und somit gezielt gefördert werden kann.
[1] Outside Magazine (1997). The world´s fittest man.
Der erste Fitness-Standard von CrossFit
Während in der deutschen Literatur zwischen koordinativen und konditionellen Fähigkeiten unterschieden wird (vgl. Meinel und Schnabel, 2015; Güllich & Krüger, 2013; Weineck, 2010) wird im CrossFit Journal von den zehn allgemeinen körperlichen Fähigkeiten ausgegangen (engl.: „10 generall physical skills“). Sie bilden das erste Standardmodell, wenn es darum geht, den Fitnessbegriff zu definieren. Nachfolgend werden diese aufgezählt und definiert.
Kardiorespiratorische Ausdauer – Die Fähigkeit der Körpersysteme, Sauerstoff zu erfassen, zu verarbeiten und zu liefern.
Ausdauer – Die Fähigkeit der Körpersysteme, Energie zu verarbeiten, zu liefern, zu speichern und zu verwenden.
Kraft – Die Fähigkeit einer Muskeleinheit oder Kombination von Muskeleinheiten, Kraft auszuüben.
Beweglichkeit – Die Fähigkeit, den Bewegungsumfang bei einem gegebenen Gelenk zu maximieren.
Leistung – Die Fähigkeit einer Muskeleinheit oder Kombination von Muskeleinheiten, eine maximale Kraft in einem minimalen Zeitraum auszuüben.
Geschwindigkeit – Die Fähigkeit, den Zeitzyklus einer wiederholten Bewegung zu minimieren.
Koordination – Die Fähigkeit, mehrere unterschiedliche Bewegungsmuster in eine einzelne Bewegung zu kombinieren.
Geschicklichkeit – Die Fähigkeit, die Übergangszeit von einem Bewegungsmuster in eine anderes zu minimieren.
Gleichgewicht – Die Fähigkeit, die Position des Gravitationszentrums des Körpers im Verhältnis zu seiner Stützbasis zu kontrollieren.
Genauigkeit – Die Fähigkeit, die Bewegungen in eine bestimmte Richtung oder mit einer bestimmten Intensität zu kontrollieren.
Diese zehn allgemeinen körperlichen Fähigkeiten beurteilen die Leistung in Bezug auf körperliche Anpassungsvorgänge nach Glassman et al. (2014, S. 16-20).
Der zweite Fitness-Standard von CrossFit
Der zweite Fitness-Standard befasst sich mit der Fähigkeit eines Athleten, jede denkbare Aufgabe zu lösen. Glassman et al. (2014, S. 17) beschreibt diesen Standard mit Hilfe eines Gefäßes, welches mit allen möglichen körperlichen Herausforderungen gefüllt sein soll. Die Fitness eines Athleten kann nun durch die Wahrscheinlichkeit bestimmt werden, mit der er in der Lage ist diese Herausforderung zu bewältigen. Ein sehr fitter Athlet wird die meisten, wenn nicht sogar alle zufällig gewählten Aufgaben in jeder denkbaren Kombination erledigen können, während ein anderer Athlet bei einigen Herausforderungen Schwächen zeigen wird. Dadurch entsteht eine Vielfalt an Kombinationsmöglichkeiten, die den Athleten weg von „festgelegten Sätzen, Pausen, Wiederholungen, Reihenfolgen von Übungen, Routinen, Periodisierung usw.“ führt und ihm stattdessen die Möglichkeit schafft, stets einen neuen Trainingsstimulus bereitzustellen. Hier lässt sich auf die Definition von CrossFit verweisen, welche die konstante Variation von Bewegungen vorsieht.
Der dritte Fitness-Standard von CrossFit
Der letzte Fitness-Standard befasst sich mit der Energiebereitstellung. Hierfür gibt es drei Stoffwechselwege. Erstens die Bereitstellung über die energiereichen Phosphate, zweitens der glykolytische Weg, durch die Spaltung von Kohlenhydraten und drittens der oxidative Weg, die Energiebereitstellung über Fett. Diese unterscheiden sich sowohl im zeitlichen Verlauf, als auch im prozentualen Anteil an der gesamten Energie, was aus folgender Grafik hervorgeht.
Abb. 3. Die Energiebereitstellung nach Glassman (2014, S.17).
Nach Glassman et al. (2014, S. 17) besteht der größte Fehler im Fitnesstraining darin, einen dieser Stoffwechselwege im Training zu bevorzugen und die anderen zu vernachlässigen. Wer eine allumfassende Fitness erreichen will, muss dies in seinem Training berücksichtigen und jeden Bereich der Energiebereitstellung trainieren. Diese drei vorgestellten Fitness-Standards bilden das Grundgerüst von CrossFit.
2.3.3 Übungsauswahl
In nachfolgender Tabelle werden die Übungen aufgelistet, die in der Unterrichtssequenz entweder thematisiert oder im Workout ausgeführt wurden. Die wichtigsten Übungen werden gesondert im Anhang (vgl. Kap. 9.2) in Form eines Arbeitsblattes oder als kurze Erläuterung aufgeführt.
Tab. 1. Übungsauswahl nach Unterrichtseinheiten sortiert.
3. Bedingungsanalyse
Mit Hilfe der Bedingungsanalyse soll zunächst der Inhalt der Unterrichtseinheiten auf die jeweilige Zusammensetzung der Adressatengruppe und auf deren Leistungs- und Entwicklungsstand angepasst werden. Dafür werden auch äußere Umstände, wie die zeitlichen und räumlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt. Nachfolgend werden die Bedingungen einer Übergangsklasse der Bertolt-Brecht-Schule betrachtet.
3.1 Adressatengruppe
Die gesamte Unterrichtssequenz ist für Schüler der zehnten Jahrgangsstufe des M-Zweiges konzipiert. Auf Grund der Geschlechtertrennung besteht diese Übergangsklasse aus den Klassen V1 (15 Schüler) und V2 (11 Schüler) mit insgesamt 26 Schülern. Folgende Abbildung verdeutlicht die Altersverteilung der Schüler.
Abb. 4. Altersverteilung in der Klasse V1/V2.
Die Mehrheit der Schüler ist 16 Jahre alt (acht Schüler), gefolgt von je sieben Schülern im Alter von 17 oder 18 Jahren. Drei Schüler sind 19 Jahre alt und ein Schüler bereits 20. Das ergibt ein Durchschnittsalter von etwa 17 Jahren.
3.2 Leistungsstand
Da der Unterricht in einer Sportschule stattfindet, ist innerhalb der Klasse auch mit einem höheren Leistungsstand zu rechnen. Das bestätigt sich auch bei einem Blick auf die Zahlen der Leistungs- und Vereinssportler. Insgesamt befinden sich in dieser Sportklasse neun Leistungssportler. Ein Leichtathlet, sieben Fußballer (drei davon beim FCN) und ein Badmintonspieler. Die restlichen Schüler sind zwar keine Leistungssportler, dennoch sind einige regelmäßig in Sportvereinen, wie zum Beispiel in den Sportarten Judo, Schwimmen, Tanzen, und Fußball aktiv. Im Durchschnitt befinden sich die Noten der Schüler im Bereich „gut“, können allerdings aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht hier angegeben werden.
3.3 Entwicklungsstand und dessen Auswirkungen
Nach Meinel und Schnabel (2015) befinden sich die Schüler dieser Klasse mit durchschnittlich 17 Jahren im späten Jugendalter, der sogenannten Adoleszenz. Diese stellt „[…] eine Phase der sich ausprägenden geschlechtsspezifischen Differenzierung, der fortschreitenden Individualisierung und der zunehmenden Beständigkeit […]“ dar (S. 327). Nachfolgend wird die Adoleszenz im Hinblick auf vorliegende Arbeit betrachtet.
Da die Unterrichtssequenz für Schüler konzipiert ist, wird hier nur auf die motorische Entwicklung von männlichen Schülern eingegangen. Hier zeigt sich innerhalb der geschlechtsspezifischen Differenzierung, dass Schüler deutlich mehr Leistungsbereitschaft zeigen, wenn es um sportliche Anforderungen geht, in denen sie Kraft- und Schnelligkeitsfähigkeiten, bzw. Kampfgeist und Durchsetzungsvermögen zeigen müssen. Aber auch mit „deutliche[n] Aversionen gegenüber anstrengenden Kraft- und Ausdauerleistungen“ ist zu rechnen, die typischerweise bei manchen Untrainierten in diesem Alter auftreten können (Doil, 1976; Döhring & Ihlo, 1984). Diese geschlechtsspezifische Differenzierung hängt stark mit der fortschreitenden Individualisierung zusammen und deckt sich mit den Ergebnissen der WIAD-Studie (2003). Dort wurden verschiedene Einstellungs- und Verhaltensweisen gegenüber sportlicher Betätigung festgestellt, welche von „sportlichem Desinteresse“ über die nur „pflichtgemäße Teilnahme an sportlicher Betätigung“ bis hin zu „freudigem und engagiertem Verhalten in Wettkampfsituationen“ reichten (Meinel & Schnabel, 2015, S. 330). Im Hinblick auf den Sportunterricht bedeutet das, dass manche Schüler besonders motiviert werden müssen. Vor allem diejenigen, die sich der sportlichen Aktivität eher abwenden und Desinteresse zeigen. CrossFit bietet hierfür sehr hohes Motivationspotenzial, da sich die Schüler stets gegenseitig zu neuen Bestleistungen anfeuern können. Die Musik im Hintergrund eines Workouts wirkt zudem stark motivierend, vor allem wenn die Schüler bei der Musikauswahl mitbestimmen dürfen.
Zudem ist festzuhalten, dass sich häufig gegen Ende des späten Jugendalters „Tendenzen zur Sparsamkeit, Zweckgerichtetheit und Ökonomie der Bewegungsausführung“ bei Jugendlichen etablieren (Buytendijk, 1972). Aus diesem Grund ist zwingend darauf zu achten, dass die Übungen technisch korrekt und in vollem Bewegungsumfang ausgeführt werden. Andernfalls konkurriert die Ökonomie der Bewegung mit ihrem eigentlichen Ziel, dem Fitnesstraining. [2]
Zuletzt ist im Bereich der motorischen Entwicklung im späten Jugendalter die zunehmende Beständigkeit zu nennen, welche stark mit der fortschreitenden Individualisierung korreliert. Sie zeigt sich vor allem im Bereich der Bewegungskoordination. Die „Umstrukturierung der motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten“ des frühen Jugendalters (vgl. Meinel & Schnabel, 2015, S. 308 ff) sind nun weitestgehend abgeschlossen. Das ermöglicht eine endgültige Anpassung der Bewegungskoordination an die neuen Gegebenheiten (Winkel- und Längenbeziehungen der Extremitäten, Hebel- und Drehmomente, etc.), was zu einer Stabilisation und verbesserten Konstanz von Bewegungsfertigkeiten führen kann. Voraussetzung dafür ist aber die sportliche Aktivität. CrossFit liefert aufgrund der großen Übungsauswahl zahlreiche koordinativ anspruchsvolle Aufgaben, was zur Bewältigung der „Umstrukturierung der motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten“ beitragen kann.
[2] Deshalb gibt es im CrossFit sog. „movement standards“ die die Bewegungsamplitude vieler Übungen festlegen. Dies garantiert einerseits eine Vergleichbarkeit während eines Wettkampfes zwischen den Athleten und andererseits schützt es die Athleten vor falschen Belastungen (Kniebeugen müssen immer „below parallel“ durchgeführt werden). Ein Beispiel hierfür ist auf der Homepage de zu finden (The CrossFit Open, 2015).
3.4 Zeitliche und räumliche Rahmenbedingungen
Der Sportunterricht wird immer mittwochs von 13:15 - 14.45 Uhr an der Bertolt-Brecht-Schule stattfinden. Diese Gesamtschule in Nürnberg-Langwasser ist derzeit ein kooperatives Schulzentrum, bestehend aus einer offenen Ganztagsschule, einem städtischen Gymnasium, einer städtischen Realschule und einer staatlichen Mittelschule. Besonders interessant ist das dortige Projekt „Partnerschulen des Leistungssports“, welches im Schuljahr 1998/99 ins Leben gerufen wurde. Dabei können besonders sportlich ambitionierte und talentierte Schüler ihrer Sportart nachgehen, ohne ihre schulische Ausbildung zu vernachlässigen. Im September 2012 wurde die Bertolt-Brecht-Schule durch den Deutschen Olympischen Sportbund zur Eliteschule des Sports gekürt und im Jahr 2008 vom Deutschen Fußball-Bund zur Eliteschule des Fußballs ernannt. Aus diesem Grund eignete sich die Schule hervorragend für die Forschungsziele dieser Arbeit, da vielfältiges und zahlreiches Material für den Unterricht zur Verfügung stand. Die Schule verfügt zudem über mehrere Sporthallen, einem Fitnessraum, sowie genügend Platz auf dem Sportgelände außerhalb der Schule. Allerdings muss leider auf das olympische Gewichtheben verzichtet werden, da das dafür benötigte Equipment (Langhanteln, Gewichte, Boden) nicht zur Verfügung steht. Diese Übungen lassen sich aber durch ähnliche Vorübungen ersetzen (vgl. Kap. 9.1.2). Der Unterricht selbst beginnt nach der Mittagspause gegen 13:15 Uhr und endet um 14:45. Abzüglich der Zeit zum Umziehen stehen somit etwa 75 Minuten für die Unterrichtsplanung zur Verfügung.
4. Didaktische Analyse
Die didaktische Analyse ist ein notwendiges Instrument der Unterrichtskonzeption. Dabei wird der Lerngegenstand im Hinblick auf fachdidaktische und pädagogische Fragestellungen untersucht und an das Niveau der Lernenden angepasst. Zudem werden Lernziele formuliert und daraufhin die methodisch-didaktischen Entscheidungen aufgeführt, nach denen die zuvor definierten Lernziele erreicht werden sollen.
4.1 Unterrichtsprinzipien: Psychosoziale Ressourcen und die Mehrperspektivität als sich ergänzende pädagogische Konzepte
In der Sportpädagogik gibt es derzeit zwei zentrale, theoretische Richtungen, die als Legitimationsgrundlage für den Sportunterricht und den Sport dienen. Das sind zum einen die „Psychosozialen Ressourcen“ (vgl. Sygusch, 2007; Hermann & Sygusch, 2009) und zum anderen die „Mehrperspektivität“ nach Kurz (2000a).
4.1.1 Psychosoziale Ressourcen als Legitimationsgrundlage des Sportunterrichts
Nach Sygusch (2007, S. 14) sind Psychosoziale Ressourcen „Mittel, die dazu beitragen, dass Gruppen oder Personen unterschiedliche Anforderungen und Aufgaben erfolgreich bewältigen.“ Als Synonym werden oftmals die Begriffe „Persönlichkeitsmerkmale“ und „psychische Fähigkeiten“ verwendet. Auch von „personalen Voraussetzungen“ und „sozialen Bedingungen“ ist häufig die Rede. Im Sportunterricht beziehen sich psychosoziale Ressourcen auf diejenigen Fähigkeiten, die zur „Bewältigung sportlicher bzw. sportartspezifischer Anforderungen“ beitragen (S. 15). Sie leisten somit ihren Beitrag zum Doppelauftrag der Schule (vgl. Prohl, 2012), welcher einerseits aus der Persönlichkeitsbildung (Erziehung durch Sport) besteht und andererseits die Kinder und Jugendlichen zur Teilhabe an der Spiel- und Sportkultur (Erziehung zum Sport) befähigen soll (vgl. Kurz, 2000a). Zu diesen Ressourcen zählen: Selbstkonzept, Selbstwirksamkeit, soziale Kompetenzen, sozialer Rückhalt und Gemeinschaft bzw. Gruppenzusammenhalt, die nachfolgend nach Sygusch (2007, S. 50) definiert werden.
Ein stabiles Selbstkonzept gilt als Ressource zur Bewältigung von Anforderungen des sportlichen (z. B. Misserfolge) und übersportlichen Alltags (z.B. schulische Belastungen, Vereinbaren von Schule und Sport).
Selbstwirksamkeit gilt als Voraussetzung, um anspruchsvolle sportliche und übersportliche Anforderungen anzunehmen, ausdauernd zu verfolgen und erfolgreich zu gestalten.
Gruppenzusammenhalt gilt als Ressource für sportliche Leistungen in Training und Wettkampf. Darüber hinaus können mit Gruppenzusammenhalt im Sport auch übersportliche Ziele wie der Aufbau von sozialen Netzwerken, soziale Integration und Unterstützung verknüpft werden.
Sozialer Rückhalt gilt als Ressource zur Bewältigung von alterstypischen Entwicklungsaufgaben (z.B. Ablösung vom Elternhaus) und Alltagsanforderungen (z.B. Schule). Sozialer Rückhalt beim Üben und Trainieren dürfte darüber hinaus auch eine Voraussetzung der individuellen Handlungs- und Leistungsfähigkeit sein.
Soziale Kompetenzen gelten einerseits als Ressource zur sozialen Handlungsfähigkeit im sozialen Umfeld (z.B. Peer-group, Sportverein), andererseits können sie als Ressourcen sozial-kooperativen Handelns in sportlichen Anforderungssituationen aufgefasst werden.
All diese Ressourcen finden sich auch in Trainings- und Wettkampfsituationen von CrossFit wieder, da dort viele verschiedene Sportarten und Disziplinen aufeinandertreffen. Entsprechend ausgewählte Konzepte zur Persönlichkeits- und Teamentwicklung liegen derzeit im Gerätturnen (Sygusch & Weller, 2005) und im Schwimmsport (DSV, 2006) vor. Ein weiteres wird derzeit für das Gewichtheben konzipiert, wurde aber noch nicht veröffentlicht. Dementsprechend liegt es nahe, dass im CrossFit mit vergleichbaren positiven Eigenschaften bezüglich der Persönlichkeits- und Teamentwicklung zu rechnen ist.
4.1.2 Die Mehrperspektivität als Legitimationsgrundlage des Sportunterrichts
Nach Dietrich Kurz (2000b) wird sportliches Handeln und somit auch der Sportunterricht mit verschiedenen Sinnperspektiven belegt und begründet. Die Aufgabe der Lehrkraft liegt im Sportunterricht darin, diese Perspektiven mit den Schülern zu thematisieren und ihnen diese nachvollziehbar zu erläutern. Folgende sechs Sinnperspektiven wurden nach Kurz (2004) in einem Gutachten dargestellt, begründet und wiederum für die Universität Bielefeld knapp wiedergegeben:
„Leistung“. Unter dieser Perspektive geht es um das Bestreben, in Leistungssituationen des Sports zu bestehen, und um die Entwicklung der Einstellung zur Leistung.
„Miteinander“. Unter dieser Perspektive geht es darum, dass Sport wesentlich aus der Gemeinschaft mit anderen Menschen lebt, diese Gemeinschaft aber gelernt werden muss.
„Ausdruck“. Unter dieser Perspektive geht es um die expressiven Möglichkeiten des Körpers und ihre Gestaltung in der Bewegung.
„Eindruck“. Unter dieser Perspektive geht es um die besonderen Bewegungs- und Körpererfahrungen im Sport und die Förderung einer vielseitigen Wahrnehmungsfähigkeit.
„Wagnis“. Unter dieser Perspektive geht es um den Reiz von Situationen mit ungewissem Ausgang und die Bewährung in ihnen.
„Gesundheit“. Unter dieser Perspektive geht es um Gesundheit und körperliches Wohlbefinden und den Beitrag, den der Sport dazu leisten kann.
CrossFit bietet aufgrund seiner zahlreichen Elemente aus unterschiedlichen Sportarten (Turnen, Gewichtheben, Ausdauersportarten, …) vielfältige Möglichkeiten zur pädagogisch-didaktischen Legitimation nach den oben genannten Sinnperspektiven. Beispielsweise können turnerische Elemente (Calisthenics, Turnen mit Musik, etc.) die „expressiven Möglichkeiten“ des menschlichen Körpers unter der Perspektive „Ausdruck“ verdeutlichen. Die Perspektive „Wagnis“ ist sowohl kurz vor einem Workout, als auch während eines Workouts zu finden. Die Athleten begeben sich dabei stets in Situationen, deren Ausgang ungewiss ist und in denen sie sich bewähren müssen, um ihre individuelle Fitness unter Beweis zu stellen. Unter der Sinnperspektive „Eindruck“ könnten beispielsweise verschiedene Intensitäten von Ausdauerbelastungen thematisiert werden (vgl. Kap. 2.3.2, der dritte Fitnessstandard von CrossFit) und inwiefern die Schüler die Belastung während eines Workouts selbst beeinflussen oder steuern können (vgl. pacing und scaling) [3],[4]. Eine besonders wichtige Sinnperspektive ist die der „Gesundheit“. Sport bildet die Grundlage für eine zufriedenstellende Gesundheit, was an dieser Stelle nicht gesondert erläutert werden muss (vgl. Sygusch, 2007, S. 33). Jedoch kann dies im Unterricht thematisiert werden, vor allem im Zusammenhang mit CrossFit. Als Beispiel wäre hier die Kniegesundheit zu nennen. Nur allzu oft wird behauptet, dass Kniebeugen schlecht für die Knie seien (vgl. Klein, 1961). Das stimmt allerdings nur, wenn diese falsch ausgeführt werden. Bei richtiger Ausführung und Trainingssteuerung stellt die Kniebeuge eine der besten Übungen dar, die Athleten in ihr Training integrieren können (vgl. Rippetoe, 2011, S. 9 ff.; Taeger, 2015, S. 86 ff.).
Die Sinnperspektive „Leistung“ nimmt im CrossFit eine besondere Rolle ein, denn die Leistungssteigerung ist ein wesentlicher Aspekt des Trainings. Zudem trägt die Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit (Allgemeine Sportlichkeit, Koordination, Beweglichkeit, Schnelligkeit, Kraft und Ausdauer) zum körperlich-sportlichen Selbstkonzept bei, was im Rahmen dieser Arbeit untersucht wurde (vgl. Kap. 6). Damit die Selbsteinschätzung bewertet werden kann, bedarf es einer sozialen Bezugsnorm, welche durch die pädagogische Perspektive „Miteinander“ in die Sequenz eingebettet wurde. Im Umgang miteinander lernen die Schüler ihre eigenen Stärken und Schwächen kennen. Die Stärken können dann bewusst in Gruppenaufgaben eingesetzt werden und durch Differenzierung kann zugleich an den Schwächen gearbeitet werden, sodass jeder seine individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten stets erweitern kann. Grundlage dafür ist aber, dass die Schüler sich ihrer Stärken und Schwächen in verschiedenen Domänen bewusst sind. Deshalb hängen die Perspektiven Leistung und Miteinander stark zusammen und werden vorwiegend in dieser Unterrichtssequenz behandelt. Die besondere Stellung dieser beiden pädagogischen Perspektiven wird vor allem im Zusammenhang mit den psychosozialen Ressourcen deutlich. Beide Perspektiven tragen zum Doppelauftrag des Sports bei (Erziehung zum Sport und Erziehung durch Sport), was nachfolgend erklärt wird. Die Leistung trägt nach Sygusch (2007, S, 31) einerseits in Form von „Weiterentwicklung des individuellen Könnens“ (sportliche Handlungs- und Leistungsfähigkeit) zur Persönlichkeits- und Teamentwicklung (Erziehung zum Sport) bei. Beispielsweise werden hier die Selbstwirksamkeit, die Kooperationsfähigkeit und der Gruppenzusammenhalt als mögliche Inhalte des Unterrichts im Zusammenhang mit der pädagogischen Perspektive der Leistung genannt. Andererseits ermöglicht die Auseinandersetzung mit „selbstbezogenen und sozial-kooperativen Erfahrungen in Lern- und Leistungssituationen des Sports“, die Ausbildung dieser Ressourcen (Erziehung durch Sport). Ebenso trägt die Perspektive Miteinander zum Doppelauftrag bei. Erstens lernen die Schüler soziale Rahmenbedingungen und soziale Ressourcen kennen, die zum Erfolg der Gruppe beitragen können (Erziehung zum Sport). Zweitens werden gerade durch die sportliche Aktivität mit und gegen andere Gruppen genau diese sozialen Ressourcen gefördert, die es „Kindern und Jugendlichen ermöglichen, zunehmend selbstständig und verantwortungsvoll in sozialen Umfeldern zu agieren“ (Sygusch, 2007, S. 32).
Die weiteren pädagogischen Perspektiven Eindruck, Ausdruck, Gesundheit und Wagnis tragen vor allem in Form der Erziehung durch Sport zur Persönlichkeits- und Teamentwicklung der Schüler bei. Im Sinne der didaktischen Reduktion wurden aber in dieser Arbeit nur die Perspektiven Leistung und Miteinander thematisiert.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass CrossFit im Sportunterricht sowohl durch die psychosozialen Ressourcen als auch durch die Mehrperspektivität seinen Beitrag zur Erziehung zum und durch Sport erfährt. Diese beiden Legitimationsgrundlagen sind dabei nicht als Gegenpole zu verstehen, sondern als pädagogische Positionen, die sich gegenseitig ergänzen. „Eine systematische Förderung psychosozialer Ressourcen im und durch Sport muss an solche Ressourcen ansetzen, die zur Bewältigung sportspezifischer Anforderungen von zentraler Bedeutung sind“ (Herrmann & Sygusch, 2009a, S. 7). Das setzt das „Aufgreifen, Inszenieren und Thematisieren“ von Lernsituationen voraus, weshalb sich einige Aufgaben dieser Unterrichtssequenz an den bereits vorliegenden Förderkonzepten (z.B. Herrmann & Sygusch, 2009a/b; Sygusch & Weller, 2005) orientieren.
[3] Durch sogenanntes „scaling“ kann die Intensität eines Workouts vor der Belastung an die individuelle Leistungsfähigkeit angepasst werden. Als Synonym kann der Begriff der Differenzierung aus der Pädagogik verwendet werden (vgl. Gordon, J., 2015).
[4] Durch sogenanntes „pacing“ kann die Intensität während eines Workouts beeinflusst werden. Anstatt die vorgeschriebene Wiederholungszahl in einem Stück durchzuziehen, kann diese auch in kleinere Sätze aufgeteilt werden (z. B. 15 wallball shots sind intensiver als zwei Sätze mit acht und sieben Wiederholungen und einer kleineren Pause dazwischen), (vgl. Beers, E., 2014).
4.2 Lernzielanalyse
In nachfolgender Tabelle werden zunächst alle Lernziele aufgeführt und anhand der adressierten Lernbereiche „Selbstständiges Trainieren“, „CrossFit“ und „Psychosoziale Ressourcen & Pädagogische Perspektiven“ unterteilt. Wichtig ist dabei zu verstehen, dass die Unterteilung keine strikte Trennung dieser Lernbereiche bedeutet, da sich die Lernziele gegenseitig ergänzen und beeinflussen. Sie dient lediglich einer Vereinfachung der anschließenden Analyse.
Tab. 2. Gliederung der Lernziele nach den Lernbereichen „Selbstständiges Trainieren“, „CrossFit“ und „Psychosoziale Ressourcen & Pädagogische Perspektiven“.
Lernbereich I: Selbstständiges Trainieren
Unter diesem Lernbereich wurden alle Ziele zusammengefasst, die vorrangig sportartunspezifisch zum selbstständigen Trainieren beitragen können, was ein übergeordnetes Ziel des Sportunterrichts darstellt (ISB, 2004h, S. 54). Dabei lernen die Schüler die technischen Merkmale verschiedener Übungen kennen, die für ein gesundheitsorientiertes Krafttraining nötig sind. Einige Beispiele hierfür wären zum Beispiel die Kniebeuge, deren Nutzen bereits (vgl. Kap. 4.1.2) beschrieben wurde, sowie das Kreuzheben, welches neben dem Sport auch den Alltagsbezug aufweist. Dadurch lernen die Schüler schwere Gegenstände in der Arbeit oder ihrer Freizeit richtig zu heben.
Lernbereich II: „CrossFit“
In diesem Lernbereich sind alle Lernziele enthalten, die auf CrossFit zurückzuführen sind. Da CrossFit eine Trendsportart ist, die sich aus vielen anderen Sportarten zusammensetzt, sind somit sportartspezifische Lernziele der wesentliche Inhalt. Dies wurde bereits in der ersten Unterrichtseinheit verdeutlicht, in der die Schüler verschiedene Bilder von Sportlern sortieren mussten. Zu sehen waren Turner, Gewichtheber, Strongmen, Kraftdreikämpfer und Ausdauerathleten wie zum Beispiel Schwimmer, Läufer, Radfahrer und Ruderer. Bezogen auf die Frage, wer von diesen Sportlern ihrer Meinung nach der Fitteste sei, konnten die Schüler bereits erste Vorstellungen über den Fitnessbegriffs von CrossFit erhalten. In weiteren Unterrichtsstunden wurde das Bewegungs- und Übungsrepertoire der Schüler aus oben genannten Sportarten erweitert und in kleinere CrossFit-Workouts integriert. Zusammenfassend geht es dabei lediglich um das Kennenlernen verschiedener Sportübungen aus den unterschiedlichen Bereichen von CrossFit.
Lernbereich III: Psychosoziale Ressourcen & Pädagogische Perspektiven
Der letzte Lernbereich beschäftigt sich mit Lernzielen, die durch die Psychosozialen Ressourcen und die pädagogischen Perspektiven der Mehrperspektivität vermittelt werden. Sie umfassen weniger das Wissen im eigentlichen Sinne sondern sind vielmehr dem Kompetenzbegriff zuzuordnen. Kompetenzen sind nach Weinert (2001, S. 27 f ) „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“ Psychosoziale Ressourcen kommen diesem Kompetenzbegriff sehr nahe, da sie sportbezogene Kompetenzen fördern. Dementsprechend muss „eine systematische Förderung psychosozialer Ressourcen im und durch Sport […] an solchen Ressourcen ansetzen, die zur Bewältigung sportspezifischer Anforderungen von zentraler Bedeutung sind“ (Sygusch, 2007, S. 64). Genau das wurde bei der Planung der Unterrichtsequenz und dieser Lernziele beachtet. Beispielsweise sind beim gegenseitigen Coachen die Ressourcen „körperlich-sportliches Selbstkonzept“, „Aufgabenzusammenhalt“, „Aufgabenzugehörigkeit“ und „Kooperationsfähigkeit“ gefragt. Zudem ergänzen sich hier die psychosozialen Ressourcen mit den pädagogischen Perspektiven „Miteinander“ und „Leistung“. Wie bereits beschrieben (vgl. Kap. 4.1.2) hängen diese beiden Perspektiven stark zusammen, wenn es um die Förderung des körperlich-sportlichen Selbstkonzepts geht, was abschließend der Forschungsgegenstand dieser Arbeit ist (vgl. Kap. 6).
4.3 Methodisch-didaktische Entscheidungen
Bezüglich der methodisch-didaktischen Überlegungen ist anzumerken, dass sich klassische CrossFit-Einheiten ein wenig vom Sportunterricht unterscheiden. Der Aufbau des Sportunterrichts kann anhand der einzelnen Stundenabschnitte (vgl. Kap. 9) nachvollzogen werden. Das CrossFit-Training dauert üblicherweise etwa eine Stunde. Es beginnt ebenfalls mit einem Aufwärmteil. Anschließend folgt ein Technikteil (auch Fertigkeitstraining oder „skill developement“ genannt), worin die relevanten Übungen für das darauffolgende „workout of the day“ (kurz: wod) mit Hilfe methodischer Übungsreihen hergeleitet, gefestigt oder vertieft werden. Ergänzend findet in diesem Teil häufig auch klassisches Krafttraining statt. Danach folgt das Workout, das entweder aus mehreren Runden aufeinanderfolgender Übungen besteht, die in schnellstmöglicher Zeit absolviert werden müssen (vgl. Kap. 9.1.2) oder es steht eine vorgeschriebene Zeit zur Verfügung, in der so viele Runden wie möglich durchgeführt werden sollen (vgl. Kap. 9.1.1). Zum Schluss werden Übungen zur Verbesserung der Beweglichkeit oder ergänzende Kraftübungen ausgeführt, die sich an den individuellen Schwächen der Trainierenden orientieren.[5],[6]
Dieser Ablauf lässt sich sehr gut auf den Sportunterricht übertragen, zumal dort mehr Zeit zur Verfügung steht (vgl. Kap. 9.1). Im Gegensatz zum Sportunterricht ist ein CrossFit-Kurs oftmals sehr frontal und instruktiv gestaltet. Das bedeutet, dass der Trainer vor der Klasse steht, Übungen vormacht und die Übenden diese dann wiederholen. Nach Meyer (2004) ist die Methodenvielfalt eines der zehn Merkmale eines guten Unterrichts (Meyer, 2010, S. 74ff). Dieses Merkmal wurde gezielt eingesetzt, um von der frontalen Lehrmethode abzuweichen, was den Unterricht abwechslungsreicher gestaltete. So wurden zum Beispiel Elemente aus dem Gewichtheben instruktiv vermittelt (vgl. The Medicine Ball Clean Kap. 9.1.2). Andere Elemente sollten wiederum von den Schülern selbst erarbeitet werden (vgl. Kniebeuge Kap. 9.1.1, Shoulder/ Push Press Kap. 9.1.2).
Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen CrossFit in einer Box und CrossFit in der Schule wird durch die Rahmenbedingungen (vgl. Kap. 3.4) an der Schule bedingt. Da weder das nötige Equipment noch die Beschaffenheit des Bodens der Halle für das Gewichtheben ausreichend war, musste auf diesen wichtigen Teil von CrossFit verzichtet werden. Diese Übungen wurden aber durch ähnliche Übungen ersetzt. Das Umsetzen einer Langhantel kann durch das Umsetzen eines Medizinballes (The Medicine Ball Clean) nachgeahmt werden, das Langhantelreißen wurde durch einarmiges Kurzhantelreißen (vgl. Dumbbell Snatch, Kap. 9.1.5) ersetzt.
[5] CrossFit Black Forest (2015). Aufbau CrossFit-Einheit. [6] Athletic Training Berlin (2014). CrossFit – Kritik.
4.4 Sequenzplanung
Tab. 3. Tabellarische Aufstellung der Unterrichtssequenz
5. Reflexion der Unterrichtssequenz
In diesem Kapitel wird die Unterrichtssequenz im Hinblick auf die erste Forschungsfrage reflektiert. Dabei soll geklärt werden, wie CrossFit in einer Mittelschule implementiert werden kann. In Rückbezug auf die vorangegangene Sach- und Bedingungsanalyse werden festgestellte Barrieren während des Projekts genannt und entsprechende Lösungsansätze vorgestellt.
Bei der Legitimation von CrossFit im Schulunterricht konnte sowohl aus pädagogisch-didaktischer Sicht als auch seitens der Lehrpläne keinerlei Probleme festgestellt werden. Auch das Thema der Unterrichtssequenz und die darin begründeten fachwissenschaftlichen Grundlagen waren eine interessante und motivierende Abwechslung für die meisten Schüler. Die in Kapitel 3.3 erwähnten „Aversionen gegenüber anstrengenden Kraft- und Ausdauerleistungen“ konnten durch Motivation und durch positive Rückmeldungen überwunden werden. Das gegenseitige Coachen in Erarbeitungsphasen, sowie das Anfeuern der Schüler untereinander während den Workouts zeigten sich hier als erfolgreiche Instrumente.
Ebenfalls konnten die „Tendenzen zur Sparsamkeit, Zweckgerichtetheit und Ökonomie“ (vgl. Kap. 3.3) in diesen Unterrichtseinheiten beobachtet werden. Als Beispiel hierfür wären sog. „Wallball Shots“ (vgl. Kap. 2.3.3) zu nennen. Dabei versuchten die Schüler stets, die Kniebeuge ökonomischer und zweckgerichtet zu gestalten. Sie führten somit keine volle Kniebeuge mehr aus, sondern gingen nur noch so tief in die Hocke, wie es nötig war, um das Ziel bzw. den Zweck (über die Markierung zu werfen) zu realisieren. Diesem Umstand konnte gezielt entgegengewirkt werden, indem auf der einen Seite der Lehrer häufig Feedback über die Bewegungsausführung gab. Auf der anderen Seite sollten die Schüler sich gegenseitig bewerten bzw. coachen. Eine ausgeführte Wiederholung, die nicht den Standards entsprach, durfte nicht gezählt werden (umgangssprachlich: no-rep) und musste somit richtig wiederholt werden.
Zudem traten einige Barrieren auf, die dem institutionellen Rahmen der Schule zuzuordnen sind. Dazu zählt vor allem das fehlende Equipment. Einerseits müsste der Boden der Trainingshalle entsprechend präpariert sein, damit das Gewicht aus Sicherheitsgründen fallen gelassen werden kann und andererseits bräuchte jeder Schüler eine Langhantel mit Gewichtsscheiben. Aus diesen Gründen wurde für dieses Projekt auf das Gewichtheben verzichtet. Dies stellte aber kein Problem dar, denn Anfänger sollten unabhängig davon nicht mit solchen hohen Belastungen konfrontiert werden. Zudem konnten die dadurch weggefallenen Übungen durch entsprechende Vorübungen kompensiert werden (vgl. Kap. 4.3). Die große Übungsauswahl sowie die Möglichkeiten zur Individualisierung und Differenzierung stellen auf jeden Fall die größten Vorteile von CrossFit dar, die auch positiv zur Umsetzung dieses Projekts beigetragen haben.
Ein weiteres Problem des institutionellen Rahmens der Schule zeigte sich in der großen Schülerzahl. Diese Klasse bestand aus 26 Schülern, was der Organisation und Planung des Unterrichts oftmals im Wege stand. Diesem Umstand konnte mit Hilfe des Stationenlernens entgegengewirkt werden (vgl. Kap. 9.1.2). Zudem konnten die Schüler durch die Methode des gegenseitigen Coachens (vgl. Kap. 2.2) zielgerichtet eingesetzt werden, was den Lehraufwand deutlich verringerte. Das war zum Beispiel bei Partner- oder Gruppenworkouts der Fall. Die Schüler, die gerade nicht aktiv am Workout teilnahmen und pausierten, konnten auf die saubere technische Ausführung der aktiven Schüler achten (vgl. Kap. 9.1.1, „you go i go“). Dennoch wäre hier eine zweite Lehrkraft von Vorteil, vor allem wenn es darum geht, den Schülern technisch anspruchsvollere Übungen beizubringen.
Zusammenfassend verliefen alle Unterrichtsstunden reibungslos und wie geplant. Die abschließenden Workouts waren vielfältig und motivierend gestaltet und konnten gut auf die jeweilige Leistungsfähigkeit der Schüler angepasst werden. Für die leistungsstärkeren Schüler waren manche Workouts zwar noch zu leicht, da sie schwerere Gewichte benötigt hätten (zum Beispiel bei den Wallball Shots), jedoch ist es legitim hier den Fokus auf eine saubere Ausführung der Übungen zu legen. Der Aufbau von Geräten und das Erlernen neuer Übungen nahmen einige Zeit in Anspruch. Diese Zeit konnte allerdings mit fortschreitender Automatisierung minimiert werden. Je größer das Bewegungsrepertoire der Schüler war, desto weniger Zeit musste für das Erlernen neuer Übungen aufgebracht werden. Das führte ebenso zu einem Zuwachs an tatsächlicher Bewegungszeit.
Rückblickend auf die Ausgangsfrage wie CrossFit in einer Mittelschule implementiert werden kann ist zu sagen, dass sowohl die Methodenvielfalt als auch die große Übungsauswahl im CrossFit zu einer erfolgreichen Implementierung in der Schule beigetragen haben. Ebenso das Feedback des Lehrers sowie das Wissen über Differenzierungsmöglichkeiten führten dazu, dass die Schüler stets motiviert waren oder sich gegenseitig motivieren konnten, was letztendlich den Erfolg des Projekts bedeutete.
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